Korrespondenz zwischen Istvan Orban und dem STANDARD-Journalisten Stefan Kutzenberger:
Sehr geehrter Herr Orbán,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Mail, die Nennung von literarischen
Übersetzern und Übersetzerinnen betreffend. In allen genannten Punkten
bin ich ganz Ihrer Meinung. Hier lege ich kurz dar, warum in meinem
Artikel der Übersetzer trotzdem ungenannt blieb:
Ich las Knausgaards sechsbändigen Roman „Min kamp“ auf Norwegisch und
habe erst kurz vor Veröffentlichung des Artikels meine selbstübersetzten
Zitate auf Wunsch des Verlags hin mit der Luchterhand-Version
ausgetauscht. Dabei sah ich, dass diese zwar schön war, jedoch auch
beschönigend, Wortwiederholungen und ungeschickt wirkende Formulierungen
glättend. Da Knausgaards Werk vor allem auch durch seine direkte,
schroffe, unbearbeitet scheinende Sprache (sie ist es nicht) lebt, fand
ich diese „Verbesserung“ der deutschen Übersetzung nicht ganz gelungen.
Da ich mich aber nicht eingehender mit der deutschen Version beschäftigt
hatte und ich den Übersetzer nicht kritisieren wollte, ohne besser über
seine Motive Bescheid zu wissen, entschloss ich mich dafür, die
Übersetzung nicht zu erwähnen.
Ich bewundere literarisches Übersetzen sehr, arbeite oft mit
Übersetzerinnen und Übersetzern zusammen und kämpfe den selben Kampf wie
Sie, dass das literarische Übersetzen als eigenständiger kreativer Akt
anerkannter und sichtbarer wird. Dass in den biographischen Angaben der
Übersetzer nicht genannt wurde, ist deshalb ein Versehen, dass ich Sie
bitte, zu entschuldigen.
Auf die literarische Vermittlungsarbeit zwischen den Sprachen!
Mit den besten Grüßen,
stefan kutzenberger
Sehr geehrter Herr Kutzenberger (Autor),sehr geeehrte Frau Schurian (Leiterin Kulturressort),sehr geehrte Frau Förderl-Schmid (Chefredakteurin),als Aufmacher der vergangenen Wochenend-Beilage ALBUM des Standard
(leider kam ich erst heute zum Lesen) verhandelt Stefan Kutzenberger
über immerhin anderthalb Seiten das sechsbändige Monsterprojekt des
norwegischen Autors Karl Ove Knausgård, dessen letzter Band KÄMPFEN
gerade auf Deutsch erschienen ist. Außer der ausführlichen Darlegung
dieser, mit dem sechsten Band nunmehr abgeschlossenen „Autoficiton“
bezeichneten vieltausendseitigen Schreibprojekts zitiert er, neben
Ludwig Wittgenstein und Navid Kermani, an drei Stellen auch aus den
Büchern des besprochenen Autors. – Nur: im Gegensatz zu Wittgenstein und
Kermani schreibt Knausgård norwegisch und nicht deutsch, folglich hat
Herr Kutzenberger die sechs Bände (alle?) wohl in deutscher Übersetzung
gelesen und auch die Zitate im Artikel den Übersetzungen entnommen. Wenn
dem aber – anzunehmenderweise – so ist, frage ich mich, wie er es
geschafft hat, auf anderthalb Seiten die Übersetzer zu verschweigen? Ja
nicht einmal in den bibliografischen Angaben ist es (dem Bibliothekar!)
Kutzenberger gelungen, den Übersetzer zu nennen. (Dass auch der
Luchterhand Verlag es nicht für der Mühe wert hält, den Übersetzer
gleich unter dem Titel zu nennen, ist auch eine Schande – steht aber auf
einem anderen Blatt.)
Sehr geehrte Chefredaktion, sehr geehrtes Kulturressort,gibt es denn bei der Qualitätszeitung DerStandard tatsächlich
niemanden bzw. keine institutionalisierte Stelle, die auf einen
Mindeststandard an Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften achtet?
Übersetzerinnen und Übersetzer sind nämlich – wie Autoren – Urheber im
Sinne des Urheberrechtsgesetzes, mit allem, was da drinsteht.
Und zu deren Ehrenrettung seien hier die Übersetzer genannt:Band 1 bis 3 und 5 hat Paul Berf übersetzt, bei Band 6 war er
Mitübersezter gemeinsam mit Ulrich Sonnenberg, der auch Band 4 übersetzt
hat.
Wie Sie aus der Cc ersehen können, geht dieses Mail auch an die
Mailinglisten der österreichischen IG Übersetzerinnen Übersetzer und des
VdÜ (Verband der deutschen Übersetzer) - zur Information.
Und vielleicht konnte ich soetwas wie einen Denkprozess auslösen; es
würde mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen,István Orbán
Heute, am 28. März 2017, findet in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine Konferenz unter dem Titel “EIN ÜBERSETZTES BUCH IST WIE EINE LEICHE – Übersetzer antworten Thomas Bernhard” statt, bei der auch der bekannte französische Übersetzer Olivier Mannoni sprechen wird (“Die Übersetzung ist ein anderes Buch. Über die Figur des Übersetzers als Gespenst und als Autor“)
Wunderbar pointiert und leider noch immer aktuell (zumindest, was die Bezahlung anlangt!) Bernhards Zitat in der Aussendung: “Übersetzer sind ja was Furchtbares. Sind arme Leute, die nichts kriegen für ihre Übersetzung, niedrigstes Honorar, himmelschreiendes, wie es heißt, und machen auch eine furchtbare Arbeit, also gleich es sich wieder aus. Wenn man was macht, das nichts ist, soll man auch nichts dafür kriegen. Warum übersetzt jemand, soll er gleich etwas Eigenes schreiben, nicht? Das ist eine furchtbare Art des Dienens, das Übersetzen.”
Kleiner Beitrag zur ewigen Debatte, wer besser übersetzt : professionelle Übersetzer oder Schriftsteller? Und die gewohnt herablassende Haltung derjenigen, die laut Bondy “de manière plus naive, moins prétentieuse, moins précieuse” an die Sache herangehen, und die laut Koltès “un rapport plus physique avec les mots” haben: “peut-être un écrivain est-il plus méfiant vis-à-vis du sens, peut-être a-t-il davantage l’habitude d’écrire lui-même sans tout à fait comprendre le sens de ce qu’il écrit.” Wie immer müsste man die Probe aufs Exempel machen und sich die jeweiligen Ergebnisse anschauen …