„Dem guten Übersetzer schenkt man ungefähr so viel Aufmerksamkeit wie einem gut geputzten Fenster, das ungetrübte Sicht ins Freie gewährt. Mit steigernder Qualität unserer Arbeit sinkt unsere Sichtbarkeit.“ (Ulrich Blumenbach)
Vor allem bei Buchrezensionen werden die Literaturübersetzer meist sehr stiefmütterlich behandelt. Natürlich fehlt Journalisten oft die Kompetenz, die Qualität einer Übersetzung beurteilen zu können, aber zumindest den Namen der Übersetzer zu nennen, ist eine Minimalforderung.
Hier sollen ab nun alle österreichischen Zeitungsartikel, bei denen das nicht der Fall ist, als NEGATIVBEISPIELE, aber auch solche, die die Arbeit der Übersetzer wahrnehmen, als POSITIVBEISPIELE angeführt werden. Wir beschränken uns fürs erste auf Übersetzungen ins und aus dem Französischen. Bitte um rege Beteiligung und Kommentare.
Datum Zeitung Autor Titel Anmerkungen
Sprachtransfer: Die deutschen Übersetzer fühlen sich offenbar von der Literaturkritik missachtet. Zu Recht?
Ein Artikel von Katharina GRANZIN in der taz.
Der französische Autor Régis Jauffret hat einen Roman über den Amstettener Fall Fritzl mit dem Titel “Claustria” geschrieben, der vor kurzem in deutscher Übersetzung erschienen ist und vom Autor im Rabenhof-Theater vorgestellt wurde. Dieses Ereignis wird in der österreichischen Presse ausführlich besprochen. Ohne irgendeinen Kommentar zu diesem Buch abzugeben, soll hier ausschließlich auf die Darstellung der Rolle der “Sprachmittler” in diesem Prozess verwiesen werden.
Am 3.9.2012 erscheint im Standard ein Artikel von Stefan Brändle mit dem Titel “Ein französischer Blick auf Amstetten”, in dem “Das aktuelle Buch” von Régis Jauffret Claustria vorgestellt wird, ohne auch nur zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Übersetzung handelt, geschweige denn den Namen der Übersetzerin zu nennen. Man könnte glauben, Jauffret schreibt auf Deutsch. Am 15.9.2012 erscheint in der PRESSE ein großer Artikel von Anne-Catherine Simon unter dem Titel “Wie Claustria den Fall Fritzl (er)klären will, bei dem zwar erwähnt wird, dass es sich um die deutsche Übersetzung handelt, der Name der Übersetzerin jedoch ebenfalls nicht genannt wird. Das gleiche gilt für die Kronen Zeitung am 13.9. und für die ORF-News vom 12.9, ebenso für die ORF-Kultur am Montag-Sendung, bei der Régis Jauffret interviewt wurde.
Die einzig löbliche Ausnahme stellt Klaus Nüchtern dar, der im FALTER (38/12) unter dem Titel UNTERIRDISCH darauf hinweist, “dass Régis Jauffret zwar kein Deutsch kann, aber genau weiß, wie die Österreicher ticken”, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Französischen handelt, dass die Übersetzerin Gaby Wurster hrisst, er diese Übersetzung sogar mit einem Satz kritisiert “das Kondom mit seinem schönen Samen… den er durch das (sic!) durchsichtige Gummi hindurch betrachtete” und dass der Autor “auf die Dolmetsch (und nicht Übersetzer!) dienste einer Frau angewiesen war, die im Roman Nina heißt.”
In ORF-News vom 12.9. ist dieser Nina zwar ein ganzer Absatz gewidmet, es wird aber nicht zwischen Übersetzen und Dolmetschen unterschieden: “Jauffret hat das Fritzl-Verfahren, obwohl er nicht Deutsch kann, selbst mitverfolgt. Er brauchte eine Übersetzerin – ein fast schon metaphorischer Vorgang für die Konstruktion seines Romans. Die Übersetzerin taucht auch im Roman als Gestalt namens Nina auf.”
In der “Presse” vom 25.9. ist schließlich noch einmal vom Auftritt des Fritzl-Buchautors: “Die Natur österreichischer Frauen” die Rede, wo zwar der Name der Übersetzerin wiederum nicht genannt wird, als “Dolmetscher” unter Anführungszeichen der Moderator – der Österreich-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, Charles E-Ritterbrand, fungiert. Dieser hätte aber, so der Autor des Artikels, Manfred Seeh, “nur resümierend übersetzt, wodurch nicht französisch sprechende Zuseher Probleme hatten”.
So viel anhand eines konkreten Beispiels zur Rolle von Übersetzerinnen und Dolmetscherinnen in den österreichischen Medien.